26.06.2016

Britain, come back!

Als Kind einer türkischen Familie in Deutschland war zum Thema Großbritannien der einzige Input von außen: ein unterkühltes Volk. Nur die Deutschen seien noch unterkühlter.

Komischerweise sind die Engländer die kontaktfreudigsten Menschen, die ich je getroffen habe. Auf unserer Abi-Abschlussfahrt nach Cornwall brauchten wir nur den Kopf aus unserem Zelt strecken und schon wurde man von einem Engländer angequatscht. Nirgendwo habe ich mich im Laufe meines Lebens außerhalb Deutschlands so geborgen gefühlt, wie in einer urig-warmen Stube inmitten Schottlands, die ich mit meinen besten Freundinnen gemietet hatte, um in die Harry Potter-Welt einzutauchen. Ich liebe das britische Lebensgefühl, ich stehe auf britische Männer und in meinem Kopf bin ich eine ausgezeichnete irische Folkloretänzerin.

Mit dem politischen Mittel des Referendums hingegen verbinde ich nichts Gutes.
Das Referendum ist für mich das Mittel von Dispoten, die sich in die Demokratie geschlichen haben, um sie von innen heraus zu entkräften. Nachdem sie die Bevölkerung mit Populismus gefüttert haben und sie auf ihrer Seite wissen, geben sie ihm die Entscheidungsmacht und stehen am Ende auch noch als Demokraten da.

So macht es auch Erdogan. Erdogan packt den Trick mit dem Referendum immer wieder aus, wenn er etwas Unmögliches vor hat, was er nie legitimieren könnte, wenn er es nicht auf's Volk schieben würde. Aktuell möchte er nach 12 Jahren als Ministerpräsident und einer darauf folgenden Präsidentschaft gänzlich alleine regieren. Dies sei eine "Garantie für Stabilität und Sicherheit"...*hust*...
Da sich ein großer Teil der Bevölkerung aufgrund seines Antisemitismus, seiner Homophobie, seiner Alevitenfeindlichkeit, seiner Kurdenfeindlichkeit und seiner Fremdenfeindlichkeit gegenüber dem Westen mit ihm identifizieren kann, entscheidet er sich immer und immer wieder dafür, ihm seinen Palast zu finanzieren.

Umso verwunderter war ich über diese Fehlentscheidung Camerons, an dessen Fähigkeit ich glaube.
Ja, alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Aber das Volk ist nicht dazu da, komplexe direkte Entscheidungen zu treffen. Diese Arbeit gibt es an seine Vertreter ab, denen es ihre Zukunft anvertraut. Ihnen zutraut, seine Interessen verantwortungsbewusst zu vertreten und das Richtige für das Land zu tun.

Doch aus Fehlern kann man bekanntlich lernen und das sollten wir als Europäer in diesem Moment tun. Wir sollten zusammenstehen. Auch wenn es ohne das eigenwillige Großbritannien einfacher wäre, wichtige Reformen für Europa wie etwa das Einführen der Transaktionssteuer oder die Unterbindung von Steueroasen durchzusetzen.
Nein, dieses Referendum wird uns nicht trennen.Vielmehr wird uns diese symbolische Trennung vor Augen führen, was für ein Glück wir als Europäer eigentlich haben.
Denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Wir werden Europa schätzen lernen. Unsere Bindung wird stärker werden. Europa wird stärker werden. Es wird ein Europa werden, in dem wir uns an dieses Referendum Großbritanniens zurückerinnern und uns vor Augen führen werden, dass wir nicht schlafen und dem Extremismus nicht nochmal die Chance geben dürfen, uns zu teilen. Und am Ende werden wir uns auch die symbolische Zusammengehörigkeit zurückholen.

Aber dafür müssen wir an diesem Punkt innehalten und aktiv werden. Wir müssen verhindern, dass der islamistische und der westliche Extremismus sich gegenseitig bestärken.
Wir müssen unsere wertvolle Mitte wieder stark machen.
Dazu müssen wir ehrlich über die Ursachen reden, die einige von uns dazu bewegen, diese wertvolle Gemeinschaft waghalsig zu verlassen, um sich vor einer künstlichen Bedrohung zu schützen. Wir müssen gemeinsam für die Reformierung der muslimischen Gemeinde arbeiten.

Und wenn wir mit Europa nicht zufrieden sind, dann müssen wir Europa zu einem besseren Europa machen. Denn es ist unser Europa. Niemand anderes wird es für uns tun.